Beitrag veröffentlicht am 18.06.2021 | Dr. Ahlborn

Überstunden nach Kündigung?

Nach einer Kündigung bestehen regelmäßig noch offene Überstunden. Wir erklären Ihnen, was mit Ihren Überstunden nach der Kündigung passiert.

  1. Können Arbeitnehmer immer etwas für ihre Überstunden verlangen?
  2. In welcher Form werden Überstunden grundsätzlich abgegolten?
  3. Was passiert mit meinen Überstunden bei Kündigung?
  4. Was ist beim Freizeitausgleich nach der Kündigung zu beachten?
  5. Worauf müssen Sie achten, um Überstunden zu verwerten?
  6. Arbeitnehmerfalle Aufhebungsvertrag
  7. Kann mein Arbeitgeber eine Überstundenabgeltung pauschal ausschließen?
  8. Fazit

Können Arbeitnehmer immer etwas für ihre Überstunden verlangen?

Ein gesetzlicher Anspruch auf Überstundenabgeltung besteht nicht. Dennoch werden die meisten Arbeitnehmer für ihre Überstunden entlohnt. 

In aller Regel bestimmt der Arbeitsvertrag, ob und wie Überstunden abgegolten werden. Auch in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen können entsprechende Regelungen enthalten sein. Fehlt eine solche Übereinkunft, ist oft eine stillschweigende Vergütung der Überstunden anzunehmen. Das gilt immer dann, wenn eine Entlohnung den Umständen nach erwartet werden kann. In vielen Arbeitsverhältnissen ist das zu bejahen. Einige Berufsgruppen gehen hingegen leer aus, wenn die Bezahlung ihrer Überstunden nicht ausdrücklich angeordnet ist. Dazu können im Einzelfall etwa zählen:

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts sind Überstunden außerdem nur dann zu vergüten, wenn Sie vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet werden. Trifft dies nicht zu, müssen sie jedenfalls zur Erledigung der zugeteilten Arbeit dringend erforderlich gewesen sein. Im Zweifel müssen Sie darlegen können, dass diese Voraussetzungen vorlagen (BAG, Urt. v. 10.04.2013 – Az.: 5 AZR 122/12). 

Für besonders schutzbedürftige Arbeitnehmer hat der Gesetzgeber ausnahmsweise Regelung zur Mehrarbeit getroffen. Dazu zählt beispielsweise Mehrarbeit im Rahmen von Ausbildungsverhältnissen. Hier sind Überstunden bereits von Gesetzes wegen zu vergüten oder in Freizeit auszugleichen (§ 17 Abs. 7 BBiG).

In welcher Form werden Überstunden grundsätzlich abgegolten?

Es kommen klassischerweise zwei Varianten in Betracht, wie Ihre Überstunden zu entlohnen sind:

Welche Form in Ihrem Arbeitsverhältnis Anwendung findet, bestimmt meist der Arbeitsvertrag oder ein Tarifvertrag.

Grundsätzlich sollten Sie beachten, dass auch auf geleistete Überstunden Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge anfallen. 

Was passiert mit meinen Überstunden bei Kündigung?

Wird das Arbeitsverhältnis gekündigt, fallen Ihre Überstunden nicht sofort weg. Im Gegenteil: Ein Ausschluss der Überstundenvergütung für den Fall der Kündigung ist meist unwirksam. Entscheidend ist aber auch hier die genaue Regelung in Ihrem Arbeitsvertrag. 

Werden Ihre Überstunden üblicherweise ausbezahlt, können Sie auch nach der Kündigung eine finanzielle Abgeltung der geleisteten Überstunden verlangen. 

Haben Sie Ihre Überstunden bisher stets abgefeiert oder abfeiern müssen, wird die Angelegenheit komplizierter. Grundsätzlich können Sie Ihre Überstunden auch im Zeitraum der Kündigungsfrist abfeiern. Haben Sie mehr Überstunden gesammelt, als Restarbeitszeit verfügbar ist, verfallen Ihre übrigen Überstunden aber nicht. Eine entgegenstehende Vereinbarung im Arbeitsvertrag ist regelmäßig unwirksam. Sie können sich daher verbleibende Überstunden auch in Geld ausbezahlen lassen.

Das gilt auch im Fall der fristlosen Kündigung. Hier ist mangels Kündigungsfrist keine Abgeltung in Freizeit mehr möglich. In diesem Fall muss Ihnen der Arbeitgeber in der Regel Überstunden in Geld ausbezahlen.

Was ist beim Freizeitausgleich nach der Kündigung zu beachten?

Oft haben weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer Interesse an einer Weiterbeschäftigung während der Kündigungsfrist. Es kommt daher häufig vor, dass der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist offene Urlaubstage und Überstunden verwertet und deshalb nicht arbeitet. 

Allerdings können Sie der Arbeit nicht einfach fernbleiben. Grundsätzlich sind Sie auch während der Kündigungsfrist zur Arbeit verpflichtet. Auch hier ist entscheidend, was Ihr Arbeitsvertrag regelt. Wichtigste Voraussetzung ist zunächst, dass Ihr Arbeitsvertag überhaupt das Abfeiern von Überstunden vorsieht („Freizeitausgleich“). Fehlt eine solche Regelung, bleibt es dabei, dass Überstunden in Geld auszugleichen sind. Im Übrigen gilt:

Eine Freistellung der letztgenannten Art kommt häufig vor, da der Arbeitgeber oft kein Interesse an einer Weiterbeschäftigung hat. In dem Fall muss er sich aber in der Freistellung ausdrücklich auf die Abgeltung Ihrer Überstunden beziehen. Andernfalls kann die Maßnahme als bloße Freistellung gewertet werden (BAG, Urt. v. 20.11.2019 – 5 AZR 578/18) und Ihre offenen Überstunden bleiben erhalten. Sie können dann für diese also nach wie vor am Ende des Arbeitsverhältnisses einen Betrag verlangen. Entscheidend ist die Formulierung in der Freistellungsanordnung.

Worauf müssen Sie achten, um Überstunden zu verwerten?

Damit Sie Ihre Überstunden vollumfänglich beim Arbeitgeber geltend machen können, sind bereits vor der Kündigung einige Aspekte zu beachten. 

Als Anspruchsteller trifft Sie grundsätzlich die Beweislast für geleistete Überstunden.
Achten Sie daher darauf, geleistete Überstunden ordnungsgemäß zu dokumentieren. Im Idealfall gibt es jemanden, der Ihre zusätzliche Arbeitsleistung bezeugen kann. Wird Ihre Arbeitszeit erfasst (z.B. durch Stempelkarte oder digitale Zeiterfassung), sollten Sie die dort festgehaltenen Überstunden für sich selbst dokumentieren (z.B. durch Abfotografieren). Sie müssen im Zweifelsfall auch beweisen können, dass der Arbeitgeber mit den Überstunden einverstanden oder die Mehrarbeit zumindest betrieblich geboten war. 

Nach der Kündigung ist auch im Hinblick auf die Überstundenabgeltung Eile geboten. In den meisten Arbeitsverträgen sind sog. Ausschlussfristen vorgesehen. Machen Sie die Überstunden nicht innerhalb einer solchen Ausschlussfrist geltend, verfällt Ihr Anspruch. 
Werfen Sie daher frühzeitig einen Blick in Ihren Arbeitsvertrag. Im Kündigungsfall sollten Sie umgehend einen Fachanwalt für Arbeitsrecht aufsuchen. Wir können sicherstellen, dass die für Ihren Fall maßgeblichen Fristen eingehalten werden.

Arbeitnehmerfalle Aufhebungsvertrag

Besonders vorsichtig sollten Sie sein, wenn der Arbeitgeber Ihnen statt der Kündigung einen Aufhebungsvertrag anbietet. Arbeitgeber wollen sich durch einen Aufhebungsvertrag besserstellen.

Gerade in Bezug auf Überstunden enthalten solche Aufhebungsvereinbarungen daher meist einen Ausschluss der Überstundenabgeltung. Dies erfolgt durch eine sog. Ausgleichsquittung, mit der alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis als abgegolten gelten. Eine solche Ausgleichsquittung sollten Sie daher nicht unterzeichnen, bevor Sie mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht gesprochen haben.

Kann mein Arbeitgeber eine Überstundenabgeltung pauschal ausschließen?

Hin und wieder versuchen Arbeitgeber auch durch Klauseln im Arbeitsvertrag, die Vergütung der Überstunden von vornherein auszuschließen. Mit solchen Klauseln hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) schon häufig beschäftigt. 

Ein pauschaler Ausschluss von Überstunden („Mit diesem Gehalt sind etwa notwendig werdende Überstunden mit abgegolten“) ist nach Auffassung des BAG wegen Intransparenz unwirksam.

Der Arbeitgeber kann aber im Arbeitsvertrag beispielsweise einen ausdrücklich genannten Teil der Überstunden mit der normalen Vergütung abgelten. Eine Klausel, nach der die ersten 20 Überstunden im Monat „mit drin“ sind, wurde vom BAG nicht beanstandet (BAG, Urt. v. 16.05.2012 – Az.: 5 AZR 331/11).

Werden Ihre Überstunden ausnahmsweise doch von Ihrem Arbeitsentgelt erfasst, dürfen die Überstunden jedoch nicht dazu führen, dass Ihr Arbeitsentgelt unter das Mindestlohnniveau absinkt.

Fazit

Bei Fragen rund um das Thema Kündigung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.


Autor dieses Beitrags: Dr. Ahlborn

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ahlborn ist langjährig im Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht tätig.
Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.

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