Beitrag veröffentlicht am 11.09.2022 | Dr. Ahlborn

Kein Kündigungsschutz im Kleinbetrieb?

Sind Sie in einem Kleinbetrieb beschäftigt und mit einer Kündigung konfrontiert? Auch wenn der allgemeine Kündigungsschutz hier nicht greift, sind Sie nicht völlig ungeschützt. Zudem kann die Chance bestehen, eine Abfindung zu erhalten. Wir zeigen Ihnen, wie. 

  1. Ausgangslage – geringerer Kündigungsschutz
  2. Wann spricht man von einem Kleinbetrieb?
    a. Formalia
    b. Maßregelverbot
    c. Diskriminierungsverbot
    d. Verbot der Sittenwidrigkeit oder Treuwidrigkeit
    e. Mindestmaß sozialer Rücksichtnahme
    f. Sonderkündigungsschutz
  3. Betrieb vs. Unternehmen
  4. Ihre Chancen gegen die Kündigung im Kleinbetrieb 
  5. Der geschickte Weg zur Abfindung im Kleinbetrieb 
  6. Kündigungsfrist im Kleinbetrieb 
  7. Selbst kündigen im Kleinbetrieb
  8. Fazit

Ausgangslage – geringerer Kündigungsschutz

Sind Sie Mitarbeiter in einem Kleinbetrieb, gilt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) nicht. Das heißt zum einen, dass Ihr Arbeitgeber Sie ohne Kündigungsgrund entlassen darf. Zum anderen muss er keine Sozialauswal treffen, also soziale Gesichtspunkte als Entscheidungskriterien heranziehen. Die Ausgangssituation für eine wirksame Kündigung ist somit für Ihren Arbeitgeber relativ günstig. Dennoch besteht auch für Sie als Arbeitnehmer ein gewisser Schutzrahmen. Dazu gleich mehr. 

Wann spricht man von einem Kleinbetrieb?

Doch ab wann spricht man von einem Kleinbetrieb? Entscheidend ist die Zahl der Arbeitnehmer. Ein Kleinbetrieb liegt vor, wenn regelmäßig maximal 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dabei sind jedoch folgende Punkte zu beachten: 

Arbeiten von den 12 Arbeitnehmer 8 in Vollzeit und 4 mit einer 50%-Stelle, ist also dennoch von einem Kleinbetrieb auszugehen.

Wichtig: Auszubildende oder Praktikanten werden nicht berücksichtigt. 

Betrieb vs. Unternehmen

Für die Frage, ob ein Kleinbetrieb vorliegt, darf der Betrieb nicht mit dem Unternehmen verwechselt werden. Es besteht ein wichtiger Unterschied. Ein Betrieb ist eine personell selbständig organisierte Einheit im Rahmen eines Unternehmens. Entscheidend ist, inwiefern diese eigenständig über Neueinstellungen und Entlassungen entscheiden darf.

Es zählt also die Größe des jeweiligen Betriebes und nicht die des Unternehmens. Deswegen können für Sie trotzdem die Regelungen für Kleinbetriebe greifen, obwohl im gesamten Unternehmen weitaus mehr als 10 Mitarbeiter arbeiten.

Ihre Chancen gegen die Kündigung im Kleinbetrieb 

Auch wenn in einem Kleinbetrieb kein allgemeiner Kündigungsschutz besteht, sind Sie nicht schutzlos. Denn Ihr Arbeitgeber muss trotzdem gewisse Aspekte berücksichtigen:

Kommen Sie mit Ihrem Fachanwalt für Arbeitsrecht zu dem Schluss, dass Ihre Kündigung rechtswidrig ist, sollten Sie schnell handeln. Denn die Frist zur Klageerhebung beträgt drei Wochen ab Erhalt der Kündigung. Verpassen Sie diese, wird auch eine rechtswidrige Kündigung wirksam. 

Wehren Sie sich rechtszeitig, haben Sie die Chance, wieder in den Betrieb zurückkehren. Oder Sie handeln eine lukrative Abfindung aus. 

In folgenden Fällen haben Sie auch in Kleinbetrieben gute Chancen gegen eine Kündigung: 

Formalia

Ihr Arbeitgeber muss einige Formalia berücksichtigen. Missachtet er diese, stehen Ihre Chancen gegen die Kündigung gut:

Maßregelverbot 

In § 612a BGB ist das Maßregelverbot festgeschrieben. Machen Sie als Arbeitnehmer Ihnen zustehende Rechte gelten, darf dies nicht zu Ihrem Nachteil führen. Erwähnt der Arbeitgeber in der Kündigung keinen Grund, genügt oft schon ein enger zeitlicher und offensichtlicher Zusammenhang zwischen Kündigung und Geltendmachung Ihrer Rechte, um eine Abfindung zu erzielen. 

Beispiele hierfür können sein: 

Diskriminierungsverbot 

Ebenso rechtswidrig sind Kündigungen, die auf ein in § 1 AGG genanntes Merkmal zurückzuführen sind. Dazu gehören etwa Kündigungen aufgrund der sexuellen Orientierung, der Religion oder Herkunft. 

Verbot der Sittenwidrigkeit oder Treuwidrigkeit 

Sittenwidrig gem. § 138 BGB ist Ihre Kündigung, wenn sie etwa auf Rache oder Vergeltung beruht. Ebenso kann sie gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB verstoßen. Das ist etwa der Fall, wenn sich der Arbeitgeber absolut widersprüchlich verhält, also z.B. Sie an einem Tag in Ihrem Arbeitsverhältnis bestärkt und am nächsten Tag plötzlich kündigt. Ebenso willkürliche Motive, wie etwa eine Parteizugehörigkeit oder eine Kündigung zu Unzeit verstoßen gegen Treu und Glauben. Bei Letzterem ist jedoch ein enger Maßstab anzulegen, da der Arbeitgeber grundsätzlich zu jeder Zeit und an jedem Ort die Kündigung erklären kann. Entscheidend ist, ob Ihr Arbeitgeber absichtlich einen bestimmten Zeitpunkt gewählt hat (etwa bei der Beerdigung Ihres Lebensgefährten). 

Mindestmaß sozialer Rücksichtnahme 

Auch wenn in Kleinbetrieben nach § 1 KSchG eine Sozialauswahl nicht verpflichtend ist, gilt trotzdem ein Mindestmaß sozialer Rücksichtnahme. Diese Fallgruppe ist auf Konstellationen beschränkt, in denen der Arbeitgeber einem besonders schutzwürdigen Mitarbeiter (schwerbehindert, unterhaltspflichtig und lange im Unternehmen) aus unerklärlichen Gründen kündigt, obwohl ein deutlich weniger schutzwürdiger Arbeitnehmer ebenso gut hätte entlassen werden können. 

Sonderkündigungsschutz 

Auch in Kleinbetrieben stehen gewisse Personengruppen unter einem besonderen Kündigungsschutz. Gehören Sie einer dieser Gruppen an, kann Ihr Arbeitnehmer Sie nur unter großen Schwierigkeiten entlassen: 

Der geschickte Weg zur Abfindung im Kleinbetrieb 

Möglicherweise möchten Sie gar nicht in den Betrieb zurückkehren. Dann können Sie oft eine Abfindung aushandeln. Wichtig dafür ist, dass Sie gegenüber Ihrem Arbeitnehmer betonen, unbedingt in den Betrieb zurückkehren zu wollen – auch wenn dies nicht stimmt. Zunächst drohen Sie mit einer Kündigungsschutzklage. Aus Angst, den Rechtsstreit zu verlieren, bietet Ihnen Ihr Arbeitgeber im besten Fall einen Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung an, sofern Sie auf eine Klage verzichten. Kommt es hingegen zum Verfahren, besteht auch die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber im Gütetermin einer Abfindung zustimmt. Denn für ihn besteht bei einer rechtwidrigen Kündigung das Risiko, Sie wieder einstellen, weiterbezahlen und rückwirkend ausgefallene Gehälter nachzahlen zu müssen. 

Die Höhe der Abfindung hängt von Ihrem Verhandlungsgeschick und dem möglichen Ausgang des Verfahrens ab. Als grobe Orientierung kann die Formel 0,5 Bruttomonatsgehalt x Anzahl der Beschäftigungsjahre im Betrieb gelten. 

Kündigungsfrist im Kleinbetrieb 

Zunächst muss er die Kündigungsfrist einhalten. Diese ist gesetzlich geregelt in § 622 BGB

Betriebszugehörigkeit in JahrenKündigungsfrist zum Monatsende 
unter 2 4 Wochen (zum 15. oder zum Monatsende)
Mind. 2 1 Monat 
Mind. 5 2 Monate 
Mind. 8 3 Monate 
Mind. 10 4 Monate 
Mind. 12 5 Monate 
Mind. 15 6 Monate 
Mind. 20 7 Monate 

Vorrang vor dieser gesetzlichen Regelung haben Vereinbarungen im Arbeits- oder Tarifvertrag. Eine kürzere Kündigungsfrist darf – wenn das gesamte Unternehmen max. 20 Mitarbeiter hat – vier Wochen jedoch nicht unterschreiten. Abweichendes gilt in der Probezeit. Ist eine Probezeit im Vertrag vereinbart, beträgt die Kündigungsfrist grundsätzlich zwei Wochen.

Selbst kündigen im Kleinbetrieb

Auch in einem Kleinbetrieb können Sie als Arbeitnehmer jederzeit selbst kündigen. Dafür müssen Sie die Kündigungsfrist beachten. Ist diese nicht in Ihrem Arbeitsvertrag geregelt, beträgt sie vier Wochen. Haben Sie eine Probezeit vereinbart, verkürzt sie sich auf zwei Wochen.

Ihr Recht zur ordentlichen Kündigung ist Ihnen nur ausnahmsweise genommen; so etwa in den meisten befristeten Verträgen oder während Ihrer Ausbildung, sobald die Probezeit abgelaufen ist. In diesen Fällen kommt allenfalls eine außerordentliche Kündigung in Betracht, die meist nur bei schweren Pflichtverletzungen des Arbeitgebers durchschlägt. 

Fazit 

Bei Fragen rund um das Thema Kündigung und Abfindung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.


Autor dieses Beitrags: Dr. Ahlborn

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ahlborn ist langjährig im Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht tätig.
Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.

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