Gerät ein Unternehmen in die Insolvenz, sind Kündigungen von Arbeitnehmern oft eine unvermeidliche Folge. Aber selbst in der Krise kann den Mitarbeitern nicht „einfach so“ gekündigt werden. Welchen Schutz Sie weiterhin genießen und was im Falle einer Kündigung bei Insolvenz zu tun ist, erklärt dieser Beitrag.
Ein Insolvenzverfahren an sich beendet noch nicht Ihr Arbeitsverhältnis. Sie bleiben also auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis auf Weiteres Arbeitnehmer in dem betroffenen Unternehmen.
Auch in der Insolvenz müsste Ihnen also erst gekündigt werden (oder Sie schließen einen Aufhebungsvertrag ab), damit ihr Arbeitsverhältnis endet. Vor allem die folgenden zwei Änderungen bringt die Insolvenz jedoch mit sich:
Hier die wichtigsten vier Aspekte, die zu beachten sind:
Mit dem bloßen Verweis auf die Insolvenz kann der Insolvenzverwalter Ihnen nicht kündigen. Wie sonst auch muss für die Kündigung ein Grund geltend gemacht werden. Im Regelfall geht es, neben der auch bei Insolvenz möglichen verhaltensbedingten oder personenbedingten Kündigung, um die betriebsbedingte Kündigung. Dazu muss geltend gemacht werden, dass Ihr Arbeitsplatz wegen außerbetrieblichen Gründen (etwa Auftragsmangels) oder innerbetrieblichen Gründen (etwa dem Entschluss zur Betriebsstilllegung) dauerhaft wegfällt.
Auch an den anderen Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung ändert sich durch die Insolvenz nichts:
Allerdings kann der Insolvenzverwalter nach § 126 InsO beim Arbeitsgericht beantragen, dass zwei Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung vor Ausspruch der Kündigung verbindlich festgestellt werden: Erstens, dass ein betriebsbedingter Grund vorliegt. Zweitens, dass die Sozialauswahl ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Dies erleichtert dem Insolvenzverwalter die Kündigung. Allerdings stimmt das Gericht der Kündigung nur unter engen Voraussetzungen zu.
Vor allem bei der Kündigungsfrist kommen in der Insolvenz des Arbeitgebers Sonderregelungen zur Geltung. Nach der gesetzlichen Regelung verlängert sich die Kündigungsfrist, je länger der Arbeitnehmer in dem Betrieb beschäftigt ist (§ 622 BGB). Dadurch gilt etwa für Mitarbeiter mit einer Betriebszugehörigkeit von zehn Jahren eine Kündigungsfrist von vier Monaten zum Monatsende. Manche Tarifverträge sehen bereits früher eine Kündigungsfrist von vier Monaten oder gar noch längere Kündigungsfristen vor.
In der Insolvenz gilt jedoch eine Kündigungshöchstfrist von höchstens drei Monaten zum Monatsende. Würde also eigentlich eine längere Kündigungsfrist gelten, wird diese durch die Sonderregelung in der Insolvenz verdrängt. Gilt eine kürzere Kündigungsfrist, ändert sich daran nichts. Das betrifft vor allem Arbeitnehmer, die weniger als acht Jahre in dem Betrieb beschäftigt sind.
Für den Insolvenzverwalter besteht auch die Möglichkeit der sog. Nachkündigung. Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter ein bereits gekündigtes Arbeitsverhältnis nochmals kündigt, um das Arbeitsverhältnis früher zu beenden.
Beispiel: Der Arbeitnehmer ist seit 15 Jahren in dem Betrieb des Arbeitgebers beschäftigt. Für ihn gilt daher eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende. Als der Arbeitgeber wegen Auftragsmangels in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, kündigt er das Arbeitsverhältnis mit Kündigung vom 10.02. zum 31.08. Im März wird über das Unternehmen das Insolvenzverfahren eröffnet. Um die Arbeitsverhältnisse so schnell wie möglich zu beenden, spricht der Insolvenzverwalter eine sog. Nachkündigung aus. Mit Kündigung vom 02.04. wird das Arbeitsverhältnis zum 31.07. beendet und damit einen Monat früher als nach der gesetzlichen Regelung.
In dem Beispielsfall könnte der Arbeitnehmer das entgangene Monatsgehalt jedoch in Form eines Schadensersatzanspruches erlangen. Wenn nämlich die Sonderregelung über die Kündigungsfrist dazu führt, dass er einen Verdienstausfall erleidet, hat er einen Anspruch auf Schadensersatz (§ 113 S. 3 InsO). Allerdings hat diese Forderung wegen der Insolvenz des Arbeitgebers meist nur geringen Wert.
Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis befristet ist, kann grundsätzlich nicht ordentlich gekündigt werden. Ferner ist in Tarifverträgen nicht selten die ordentliche Kündigung ausgeschlossen, insbesondere die betriebsbedingte Kündigung. Das bedeutet zwar nicht, dass dem Arbeitnehmer überhaupt nicht gekündigt werden kann, da die außerordentliche Kündigung grundsätzlich stets möglich ist. Im Falle des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung im Tarifvertrag müsste der Arbeitgeber eine sog. außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist aussprechen. Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung sind jedoch in beiden Fällen deutlich höher als für die ordentliche Kündigung.
Hier gilt eine Erleichterung in der Insolvenz. Der Insolvenzverwalter kann die ordentliche Kündigung nämlich trotz einer Befristung erklären; auch ein tarifvertraglicher Ausschluss wird verdrängt (§ 113 S. 1 InsO).
Eine weitere Erleichterung gilt für die betriebsbedingte Kündigung, wenn der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich abschließt (§ 125 InsO). In einem Interessenausgleich wird eine Einigung darüber erzielt, wann und wie der Betrieb stillgelegt oder umstrukturiert wird. Darüber hinaus können einzelne Arbeitnehmer namentlich genannt werden, die eine Kündigung erhalten sollen (Interessenausgleich mit Namensliste).
In Bezug auf diese Arbeitnehmer gilt dann Folgendes:
Zwar kann es auch außerhalb der Insolvenz zu einem Interessenausgleich mit Namensliste kommen; insofern handelt es sich nicht direkt um Besonderheit. In der Insolvenz ist er aber besonders häufig.
Auch in der Insolvenz sind bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern besonders vor einer Kündigung geschützt:
Es kann vorkommen, dass einem Arbeitnehmer bei der Kündigung noch Lohn zusteht. Die Aussicht, diesen Lohn zu erhalten, hängt davon ab, wann der Lohn zu zahlen gewesen wäre:
Um eine rechtssichere Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen, wird Arbeitnehmern im Falle einer Insolvenz mitunter ein Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung angeboten. Aber auch bei einer Kündigung kann eine Chance auf eine Abfindung bestehen. Bei einem Kündigungsschutzprozess wird üblicherweise ein Vergleich geschlossen, durch den der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abfindung erhält. Ferner können in einem Sozialplan Abfindungen vereinbart werden.
Für solche Sozialplanabfindungen gelten im Insolvenzverfahren jedoch Einschränkungen: Die Abfindung darf für jeden Arbeitnehmer höchstens zweieinhalb Bruttomonatsgehälter betragen, wenn der Sozialplan nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wird. Wurde der Sozialplan in den drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen, kann der Insolvenzverwalter den Sozialplan widerrufen.
Wichtig: Wie auch sonst ist die Abfindungshöhe als erstes Angebot zu verstehen. Auch in der Insolvenz des Arbeitgebers kann es sich lohnen, einen höheren Betrag auszuhandeln. Denn auch der Insolvenzverwalter ist daran interessiert, kostenaufwändige Kündigungsprozesse zu vermeiden.
Generell gilt für die Kündigung bei Insolvenz das, was auch sonst in der Regel gilt: Es sollte so schnell wie möglich nach Erhalt der schriftlichen Kündigung eine Kündigungsschutzklage erhoben werden. Wird nämlich nicht binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung geklagt, dann gilt die Kündigung als wirksam. Wer diese Frist versäumt, hat also kaum noch eine Chance, seinen Arbeitsplatz zu retten oder eine Abfindung zu erlangen.
Achtung: Im Falle der Kündigung bei Insolvenz ist eine Besonderheit zu beachten. Die Frist zur Erhebung der Klage wird nämlich nur gewahrt, wenn der richtige Klagegegner gewählt wird. Richtiger Klagegegner ist dabei, wer zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Arbeitgeberstellung innehat. Im Regelfall wird das der Insolvenzverwalter sein. Auch falls noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Arbeitgeber gekündigt wurde und die Klage nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhoben wird, ist der Insolvenzverwalter Klagegegner.
Auch wegen dieser nicht ganz einfachen Besonderheit sollte spätestens für die Kündigungsschutzklage stets ein erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzugezogen werden. Dieser hilft Ihnen dabei, Fehler zu vermeiden und kann meist eine höhere Abfindung für Sie erreichen.
Bei Fragen rund um das Thema Kündigung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.