Beitrag veröffentlicht am 30.06.2023 | Dr. Ahlborn

Druckkündigung – entlassen, weil ein anderer es verlangt?

Eine Druckkündigung ist eine belastende Situation. Sie setzt voraus, dass z.B. Geschäftspartner oder Kollegen dem Arbeitgeber mit Nachteilen drohen, falls dieser Sie nicht entlässt. 

  1. Unterschiede zwischen einer echten und unechten Druckkündigung 
  2. Voraussetzungen einer echten Druckkündigung
  3. Fehlerquellen einer echten Druckkündigung
  4. Folgen einer rechtswidrigen Druckkündigung
  5. Handlungsempfehlungen an den betroffenen Arbeitnehmer
  6. Fazit

Unterschiede zwischen einer echten und unechten Druckkündigung

Man unterscheidet zwischen einer echten und einer unechten Druckkündigung. 

Unechte Druckkündigung

Bei einer unechten Druckkündigung ergibt sich der Kündigungsgrund bereits aus einem Fehlverhalten oder den Eigenschaften des betroffenen Arbeitnehmers. Dementsprechend liegt eine gewöhnliche verhaltens– bzw. personenbedingte Kündigung vor. Es gelten deren übliche Anforderungen. Von einer Druckkündigung spricht man nur, weil Geschäftspartner oder Kollegen die (ohnehin rechtmäßige) Kündigung verlangen. Für die rechtliche Bewertung macht dies aber kaum einen Unterschied. 

Beispiel: Ein Arbeitnehmer hat nachweislich einen Kollegen während der Arbeitszeit bestohlen. Die Arbeitskollegen fordern, dass der Arbeitgeber ihn entlässt. Andernfalls drohen sie, die Arbeit niederzulegen. Es erfolgt eine unechte Druckkündigung, die sich primär aus der Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers ergibt. Der Arbeitgeber hätte dem klauenden Mitarbeiter auch ohne den Druck aus der Belegschaft entlassen können.

Echte Druckkündigung

Eine echte Druckkündigung liegt vor, wenn Ihnen allein deshalb gekündigt wird, weil Geschäftspartner oder Kunden Druck auf den Arbeitgeber ausüben. Sie drohen beispielsweise damit, die Zusammenarbeit zu beenden, sodass dem Arbeitgeber schwere wirtschaftliche Schäden daraus resultieren könnten. Um diese Schäden abzuwenden, kommt Ihr Arbeitgeber dem Verlangen der Dritten nach und kündigt Ihnen. Hier stellt der Druck durch die Dritten den Kündigungsgrund dar. Ein echter Kündigungsgrund besteht daneben nicht. 

Beispiel: Sie begehen in Ihrer Freizeit eine Straftat. Der Arbeitgeber darf Ihnen deshalb in der Regel nicht kündigen, wenn Ihr Freizeitverhalten keinen Bezug zu Ihrer Tätigkeit hat. Allerdings drohen Ihre Kollegen dem Arbeitgeber, geschlossen zur Konkurrenz zu wechseln, wenn Sie nicht entlassen werden. Unter Umständen darf der Arbeitgeber Ihnen wegen dieser Drohung eine echte Druckkündigung aussprechen.  

Voraussetzungen einer echten Druckkündigung

Da Ihnen bei der echten Druckkündigung arbeitsrechtlich nichts vorzuwerfen ist, sind Sie besonders schutzbedürftig.

Ausschlaggebend ist, dass Ihrem Arbeitgeber bei der Verwirklichung der Drohungen schwere wirtschaftliche Schäden bevorstehen. Schwere wirtschaftliche Schäden können sich aus der Eigenkündigung oder Arbeitsniederlegung der Mitarbeiter oder dem Abbruch von Geschäftsbeziehungen durch Geschäftspartner ergeben.

Ist dies gegeben, treffen Ihren Arbeitgeber im Rahmen seiner vertraglichen Fürsorgepflicht umfangreiche Abwehr- und Aufklärungspflichten. Er muss sich schützend vor Sie stellen und alles ihm Zumutbare unternehmen, um die Dritten von deren Drohungen abzubringen.

Beispiel: Die Belegschaft droht mit Arbeitsverweigerung, wenn Sie nicht entlassen werden. Der Arbeitgeber muss die Mitarbeiter nun darauf hinweisen, dass diese ihre Pflichten verletzen und abgemahnt werden, wenn sie tatsächlich die Arbeit verweigern sollten. Er kann (und sollte ggf.) zur Konfliktbeilegung Gespräche oder einen Mediationstermin anordnen.

Eine echte Druckkündigung ist allerdings grundsätzlich ausgeschlossen, wenn Ihr Arbeitgeber die Drohungen in vorwerfbarer Weise mitverursacht hat.

Beispiel: Ihr Arbeitgeber weiß, dass er Sie an sich nicht kündigen kann. Er stachelt nunmehr die Belegschaft an, Ihre Kündigung lautstark zu verlangen. Auf diesen „Druck“ kann er keine echte Druckkündigung stützen. 

Die Druckkündigung muss das einzige verbleibende Mittel sein, welches die drohenden Schäden abwenden könnte. Nur dann gilt sie als sozial gerechtfertigt und damit als rechtmäßig. Als mildere Mittel kommen z.B. eine Änderungskündigung oder die Versetzung in einen anderen Betrieb in Betracht.

Fehlerquellen einer echten Druckkündigung

Unsere Erfahrung zeigt, dass viele echte Druckkündigungen fehlerhaft sind. Sie haben dann gute Chancen, Ihre Stelle zu retten oder eine attraktive Abfindung zu erhalten. Diese Fehler sind besonders häufig: 

Nicht schützend vor Sie gestellt 

Eine häufige Fehlerquelle sind die hohen Anforderungen an die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Oft sind dessen Maßnahmen unzureichend. Die Rechtsprechung ist allerdings streng. Zunächst hat der Arbeitgeber den Konfliktsachverhalt zu ermitteln. Er muss Sie nicht zwingend anhören, jedoch bietet es sich in diesem Stadium an, dass Sie hier Ihre entlastenden Argumente gegen die Vorwürfe äußern. Falls keine verhaltens- bzw. personenbedingten Kündigungsgründe feststellbar sind, muss er deutlich Stellung zu Ihnen beziehen und gegenüber den drohenden Dritten bekunden, dass aus rechtlicher Sicht kein Anlass für eine Kündigung besteht. Anschließend muss er zwischen Ihnen und den Dritten vermitteln. Wenn diese Maßnahmen keine Abhilfe schaffen und die Belegschaft weiterhin mit Nachteilen droht, hat der Arbeitgeber die Drohenden auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen ihres ungerechtfertigten Kündigungsverlangens hinzuweisen. 

Arbeitgeber ruft Druck selbst hervor

Manchmal kommt es vor, dass ein Arbeitgeber die Drucksituation selbst hervorruft. 

Beispiele:

In diesen Fällen hat der Arbeitgeber einen entscheidenden Einfluss auf die Eskalation des Konflikts gehabt. 

Keine schweren wirtschaftlichen Nachteile

Unter Umständen drohen Geschäftspartner oder Mitarbeiter mit Nachteilen, die der Arbeitgeber schlicht hinnehmen muss. 

Beispiele: 

In diesen Fällen überwiegt Ihr Interesse an der Weiterbeschäftigung. Der Arbeitgeber darf Sie grundsätzlich nicht kündigen.  

Folgen einer rechtswidrigen Druckkündigung

Wenn sich die Druckkündigung als rechtswidrig herausstellt, steht Ihnen als Arbeitnehmer Folgendes zu: 

Weiterbeschäftigung oder Abfindung

Wenn das Arbeitsgericht Ihre Kündigung für unwirksam erklärt, besteht Ihr Arbeitsverhältnis fort. Sie gehen wieder zur Arbeit und erhalten Ihre Vergütung. 

Viele Arbeitnehmer ziehen es allerdings vor, das Unternehmen zu verlassen und im Gegenzug eine Abfindung zu erhalten. Diese Zahlung ist grundsätzlich Verhandlungssache. Sind sind in einer starken Position, wenn das Arbeitsgericht Ihre Kündigung (voraussichtlich) für rechtswidrig hält. 

Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber

Hat sich der Arbeitgeber nicht in ausreichendem Maße schützend vor Sie gestellt oder die Drucksituation sogar vorwerfbar herbeigeführt, steht Ihnen ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht zu, den Sie gerichtlich durchsetzen können. 

Außerdem kann sich eine Schadensersatzpflicht auch daraus ergeben, dass sich nach Ermittlung des Sachverhalts herausstellt, dass die Ihnen unterstellten Vorwürfe falsch sind.

Schadensersatzansprüche gegen druckausübende Dritte

Unter Umständen kann Ihnen auch gegen die Dritten, die den Arbeitnehmer schädigen wollten und unwahre Tatsachen über ihn verbreitet haben, ein Schadensersatzanspruch zustehen.

Beispiel: Ein Kollege hat das Gerücht verbreitet, dass Sie ein verurteilter Sexualstraftäter seien. Die Belegschaft verlangt deshalb Ihre Entlassung. Der Arbeitgeber kündigt Sie in der Folge. Nun stellt sich heraus, dass das Gerücht frei erfunden ist. Sie können von dem Kollegen, der das Gerücht in die Welt gesetzt hat, Ersatz für ausgefallene Gehälter und Anwaltskosten verlangen.  

Handlungsempfehlungen an den betroffenen Arbeitnehmer

Unser wichtigster Tipp: Sobald Ihnen die Kündigung vorliegt, sollten Sie schnell handeln. Sie haben ab Zugang der Kündigung nur drei Wochen Zeit, um Klage zu erheben. In einigen Fällen verlieren Sie die ersten Verteidigungsmittel sogar nach wenigen Tagen. Wenden Sie sich daher so schnell wie möglich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Bleiben Sie trotz des Konflikts mit Ihren Kollegen oder sonstigen Dritten respektvoll und zeigen Sie Ihrem Arbeitgeber Ihre Kooperationsbereitschaft. Vor allem, wenn Ihnen kein vertragliches Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, sollten Sie eine entlastende Stellungnahme abgeben und zur Ermittlung der Wahrheit verhelfen. Im besten Fall stellt sich der Arbeitgeber auf Ihre Seite, der Druck lässt nach und er sieht von einer Kündigung ab. 

Falls der Arbeitgeber Sie nicht unterstützt, sollten Sie aufmerksam verfolgen, ob er seiner Fürsorgepflicht nachkommt. Je nachdem, mit welchen Nachteilen dem Arbeitgeber gedroht wird, unterscheidet sich das Ausmaß der Fürsorgepflicht und die zumutbaren Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers. Kann er vor Gericht beweisen, dass eine schwere wirtschaftliche Drucksituation vorlag, er sich schützend vor Sie gestellt hat und die Druckkündigung das einzig verbleibende Mittel zur Abwendung der wirtschaftlichen Schäden war, müssen Sie vor Gericht den Gegenbeweis erbringen. Dokumentieren Sie deshalb genau, welche Schritte der Arbeitgeber unternimmt. 

Fazit

Bei Fragen rund um das Thema Druck-Kündigung und Abfindung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.


Autor dieses Beitrags: Dr. Ahlborn

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ahlborn ist langjährig im Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht tätig.
Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.

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