Beitrag veröffentlicht am 18.09.2020 | Dr. Ahlborn

Transfergesellschaft – Vorteile und Nachteile für Arbeitnehmer

Ist der Wechsel in eine Transfergesellschaft für den Arbeitnehmer sinnvoll?

Wenn Ihr Arbeitgeber Stellen abbauen möchte, kann er auch den Wechsel in eine Transfergesellschaft anbieten. Dies geschieht durch einen dreiseitigen Vertrag (Drei-Parteien-Vertrag) zwischen dem Arbeitnehmer, Arbeitgeber und der neuen Transfergesellschaft. Das alte Arbeitsverhältnis wird aufgelöst und ein neuer Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft geschlossen. Dies geht meist einher mit der Zahlung einer Sozialplan-Abfindung. Die Arbeitnehmer, die nicht “freiwillig” in die Transfergesellschaft wechseln, erhalten in der Regel eine betriebsbedingte Kündigung. Dieser Beitrag erklärt Ihnen, was eine Transfergesellschaft ist und welche Vorteile und Nachteile sie für Arbeitnehmer hat. Der Arbeitsnehmer hat mehrere Möglichkeiten, sich hier zu entscheiden. Es empfiehlt sich im Vorfeld Kontakt mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht, Rechtsanwalt Dr. Ahlborn, aufzunehmen, um sich beraten zu lassen.

  1. Was ist eine Transfergesellschaft?
  2. Wie funktioniert der Wechsel in die Transfergesellschaft?
  3. Wie lange dauert die Anstellung bei der Transfergesellschaft?
  4. Wie viel Geld erhalte ich bei der Transfergesellschaft?
  5. Was passiert mit dem Anspruch auf Arbeitslosengeld?
  6. Muss ich als Arbeitnehmer dem Wechsel in die Transfergesellschaft zustimmen?
  7. Was ist eine Mobilitätsprämie?
  8. Wie ist das Verhältnis von Transfergesellschaft und Sozialplan?
    a. Was ist ein Sozialplan?
    b. Wann erhalte ich eine Abfindung?
  9. Wann sollte ich mich für die Transfergesellschaft entscheiden?
  10. Fazit

Was ist eine Transfergesellschaft?

Will ein Unternehmen Stellen abbauen, kann es den Arbeitnehmern vorschlagen, in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Oft ist dies in Sozialplänen vorgesehen. Eine Transfergesellschaft (auch Beschäftigungs- oder Qualifizierungsgesellschaft genannt) ist eine juristische Person (z. B. eine GmbH). Sie dient allein dem Zweck, Arbeitnehmer vorübergehend zu übernehmen und sie wieder auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. 

Tatsächlich arbeiten müssen die Arbeitnehmer in der Transfergesellschaft nicht. Stattdessen werden Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Beruf (z.B. Fort- und Weiterbildungen) angeboten. Das soll den Arbeitnehmern helfen, eine neue Stelle zu finden. 

Einige Arbeitgeber – vor allem größere Unternehmen – gründen eigene Transfergesellschaften. Es gibt aber auch professionelle Anbieter, die vom Arbeitgeber dafür bezahlt werden.

Wie funktioniert der Wechsel in die Transfergesellschaft?

Der Wechsel in die Transfergesellschaft geschieht in zwei Schritten: 

  1. Zuerst heben Sie den Arbeitsvertrag mit Ihrem alten Arbeitgeber auf. 
  2. Dann schließen Sie einen neuen Arbeitsvertrag mit der Transfergesellschaft. 

Meistens wird hierzu ein dreiseitiger Vertrag geschlossen, den Arbeitnehmer, Arbeitgeber und die Transfergesellschaft unterschreiben. In diesem Vertrag steht auch, welche Verpflichtungen Sie als Arbeitnehmer treffen. Oft enthält der Vertrag die Pflicht, an Fortbildungen teilzunehmen und aktiv nach einer neuen Stelle zu suchen. 

Beachten Sie, dass der Aufhebungsvertrag Ihr bisheriges Arbeitsverhältnis endgültig beendet. Er lässt sich nur selten wieder rückgängig machen. Anders als bei einer Kündigung, können Sie dagegen keine Kündigungsschutzklage erheben. 

Wie lange dauert die Anstellung bei der Transfergesellschaft

Die Anstellung bei der Transfergesellschaft ist immer befristet. Die Dauer orientiert sich meist an der Kündigungsfrist: In der Regel werden Sie in der Transfergesellschaft mindestens einen Monat länger als die Kündigungsfrist angestellt. Diese richtet sich danach, seit wann Sie schon im Betrieb angestellt sind. Die Betriebszugehörigkeit entscheidet also meistens, wie lange Sie der Transfergesellschaft angehören werden.

Beispiel: Arbeitnehmer A war zehn Jahre bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Die Kündigungsfrist beträgt deshalb vier Monate (s. § 622 BGB). In der Transfergesellschaft wird er also für mindestens fünf Monate beschäftigt. 

Natürlich können auch längere Laufzeiten vereinbart werden. In der Regel liegt die Grenze aber bei zwölf Monaten, da die Agentur für Arbeit danach nicht mehr das Transferkurzarbeitergeld übernimmt (mehr dazu unten). Finden Sie innerhalb dieses Zeitraums einen anderen Job, können Sie Ihren Vertrag mit der Transfergesellschaft kündigen.

Wie viel Geld erhalte ich bei der Transfergesellschaft?

Bei der Transfergesellschaft erhalten Sie das sogenannte Transferkurzarbeitergeld. Dieses beträgt de facto ca. 60 % ihres üblichen Nettolohns. Wenn Sie mindestens ein Kind haben, erhöht sich der Betrag auf 67 %. Die detaillierte Berechnung ist komplizierter.

Transferkurzarbeitergeld wird für maximal zwölf Monate von der Agentur für Arbeit bezahlt. Häufig stockt der Arbeitgeber diesen Betrag noch auf, zum Beispiel auf 80% des letzten Nettogehalts. 

Sie sind für die Dauer Ihrer Beschäftigung mit der Transfergesellschaft auch über diese sozialversichert. 

Was passiert mit dem Anspruch auf Arbeitslosengeld?

Wer nach Ausscheiden aus der Transfergesellschaft noch keine neue Stelle hat, erhält in aller Regel Arbeitslosengeld I. Sie müssen (anders als bei „normalen“ Aufhebungsverträgen ohne Transfergesellschaft) keine Sperrzeit befürchten. Dafür sollten Sie sich allerdings rechtzeitig arbeitssuchend melden. Auch eine Abfindung, die Sie von Ihrem ursprünglichen Arbeitgeber erhalten hatten, wird in der Regel nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet. 

Einen Nachteil hat das Transferkurzarbeitergeld allerdings: Die Höhe des Arbeitslosengeldes richtet sich – vereinfacht ausgedrückt – nach Ihren letzten Verdiensten. Diese liegen in der Transfergesellschaft unter Ihrem vorherigen Einkommen. Dies wird teilweise mitberücksichtigt, sodass Ihr Arbeitslosengeld geringer ausfallen kann. 

Muss ich als Arbeitnehmer dem Wechsel in die Transfergesellschaft zustimmen?

Der Wechsel in eine Transfergesellschaft ist freiwillig. Sie können das Angebot des Arbeitgebers auch ablehnen. Allerdings wird dieser dann eine Kündigung aussprechen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Entscheidung will also wohlüberlegt sein. Die Vor- und Nachteile erfahren Sie weiter unten im Beitrag.

Was ist eine Mobilitätsprämie?

Oft wird vereinbart, dass Sie eine sogenannte Mobilitätsprämie erhalten, wenn Sie noch während Ihrer Anstellung bei der Transfergesellschaft einen neuen Job finden. Die Prämie soll Sie motivieren, sich um eine neue Stelle zu bemühen. Das ist nicht nur in Ihrem Interesse, sondern auch im Interesse des alten Arbeitgebers. Ihre Anstellung bei der Transfergesellschaft kostet ihn nämlich in der Regel Geld.

Wie ist das Verhältnis von Transfergesellschaft und Sozialplan?

Was ist ein Sozialplan?

Ein Sozialplan ist eine Abmachung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, die die Nachteile einer Betriebsänderung für die Belegschaft abmildern soll. Eine Betriebsänderung ist zum Beispiel die Schließung von großen Betriebsteilen. Unter den folgenden Voraussetzungen ist der Sozialplan Pflicht und kann vom Betriebsrat erzwungen werden:

Der Sozialplan soll die Interessen der Arbeitnehmer schützen. Er kann zum Beispiel Abfindungen für Kündigungen aber auch die Übernahme von Arbeitnehmern in eine Transfergesellschaft vorsehen. In diesem Fall spricht man von einem Transfersozialplan.

Wichtig für Sie als Arbeitnehmer: Ein Sozialplan schränkt Ihren Kündigungsschutz nicht ein! Sie können sich daher gegen eine Kündigung grundsätzlich auch dann zur Wehr setzen, wenn es einen Sozialplan gibt.

Erhalte ich zusätzlich eine Abfindung?

Betriebsrat und Arbeitgeber einigen sich im Sozialplan häufig darauf, dass bei Kündigungen Abfindungen gezahlt werden. Wird eine Abfindung vereinbart, dann legt der Sozialplan meistens auch die Kriterien für die Höhe fest. Das sind häufig 

Es wurde bereits mehrfach entschieden, dass die Arbeitnehmer hier nicht vor die Wahl gestellt werden dürfen. Der Sozialplan darf die Abfindung also nicht davon abhängig machen, dass der Arbeitnehmer dem Wechsel in die Transfergesellschaft zustimmt. Sprich: Die Abfindung erhält auch, wer in die Transfergesellschaft wechselt. Je nach Einzelfall kann es aber zulässig sein, die Höhe der Abfindung zu reduzieren. 

Übrigens gilt ähnliches für den umgekehrten Fall. Der Arbeitgeber darf Sie grundsätzlich nicht vollständig von der Abfindung ausschließen, wenn Sie dem Wechsel nicht zustimmen. 

Wann soll ich mich für die Transfergesellschaft entscheiden?

Bei der Entscheidung für oder gegen die Transfergesellschaft sollten Sie die Vor- und Nachteile im Blick behalten.

Die Transfergesellschaft hat für Sie als Arbeitnehmer u.a. folgende Vorteile: 

Lassen Sie sich auf diese Lösung ein, gehen damit aber auch einige Nachteile einher:

Achtung: Der Wechsel in die Transfergesellschaft ist arbeits- und sozialrechtlich komplex. Die aufgezeigte Gegenüberstellung dient daher lediglich als ein erster Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit. 

Fazit

Bei Fragen rund um die Themen Sozialplan, Transfergesellschaft (Drei-Parteien-Vertrag) und Abfindung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.


Autor dieses Beitrags: Dr. Ahlborn

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ahlborn ist langjährig im Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht tätig.
Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.

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