Beitrag veröffentlicht am 26.03.2019 | Dr. Ahlborn

Die Kirche als Arbeitgeber: Darf sie wegen zweiter Ehe kündigen?

Bisher galt der Grundsatz, dass die Kirche ihren Arbeitnehmern kündigen kann, wenn sie nach ihrer Scheidung eine neue Ehe eingehen.

Nach einer neuen Entscheidung des BAG (Bundesarbeitsgericht) ist eine Kündigung aus diesem Grund jedoch nur wirksam, wenn der Arbeitnehmer wegen der Wiederheirat wesentliche Anforderungen für die konkrete Tätigkeit nicht mehr erfüllt. Dies ist für jede Stelle unterschiedlich zu beantworten.

Für einen Chefarzt in einem katholischen Krankenhaus lehnte das BAG dies ab. Seine Kündigung wegen seiner zweiten Ehe ist daher unwirksam.

Zum Hintergrund: Loyalitätsgebot für Arbeitnehmer der Kirchen

Das Grundgesetz gewährt den Kirchen und Religionsgemeinschaften in Deutschland das Recht, ihre Angelegenheiten weitgehend selbständig zu regeln. Dieses kirchliche Selbstbestimmungsrecht wirkt sich auch auf das Arbeitsrecht aus: Arbeitnehmer von kirchlichen Arbeitgebern müssen sich entsprechend bestimmter Wertevorstellungen der Kirche verhalten (Loyalitätsgebot). Wer gegen das Loyalitätsgebot verstößt, muss mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, unter Umständen sogar mit einer Kündigung rechnen.

Zum Sachverhalt: Arzt im katholischen Krankenhaus wird nach Wiederheirat gekündigt

Kläger im entschiedenen Fall war ein katholischer Chefarzt in einem Krankenhaus der Caritas. Nach der Scheidung von seiner ersten Frau heiratete er erneut standesamtlich. Auf sein Dienstverhältnis war die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ (GrO) anwendbar. Dieses Regelwerk verbietet den katholischen Arbeitnehmern, nach einer geschiedenen Ehe erneut standesamtlich zu heiraten. Weil der Chefarzt somit in einer kirchenrechtlich ungültigen Ehe lebte, kündigte ihm die Arbeitgeberin.

Dagegen wehrte sich der Kläger vor Gericht. Das BAG entschied letztendlich in seinem Sinne, nachdem es die Sache zwischenzeitlichen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt hatte.

Zur Entscheidung: Kündigung wegen Wiederheirat unwirksam

Das BAG führte aus, dass das Verbot der Wiederheirat in der GrO unwirksam sei, weil es katholische Arbeitnehmer gegenüber nicht-katholischen Arbeitnehmern unangemessen benachteilige. Für letztere habe eine neue Ehe nämlich keine Konsequenzen. Deshalb könne dem Kläger nicht wegen seiner zweiten Ehe gekündigt werden.

In seinen Ausführungen zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht orientierte sich das BAG an der Vorabentscheidung des EuGH: Es sei den Kirchen zwar aufgrund des Selbstbestimmungsrechts grundsätzlich erlaubt, je nach Konfession unterschiedliche Loyalitätsanforderungen an Führungskräfte zu stellen. Allerdings sei eine solche Ungleichbehandlung nur zulässig, wenn die entsprechende Loyalitätspflicht eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigteberufliche Anforderung für die konkrete Tätigkeit sei.

Mit solchen Anforderungen ließe sich ein Verbot der Wiederheirat für einen Chefarzt nicht begründen.

Fazit

Das BAG setzt mit seiner neuen Entscheidung die Vorgaben des EuGH um und schränkt damit die Spielräume der Kirchen ein. Die Wirksamkeit von Loyalitätspflichten hängt nun maßgeblich von der jeweiligen Tätigkeit des Arbeitnehmers ab. Es können sich je nach Art der Tätigkeit Unterschiede ergeben, ob eine bestimmte Loyalitätspflicht eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Zuvor konnten die Kirchen dies recht frei selbst bestimmen. Bei einem Chefarzt wird dies anders zu beurteilen sein als bei einer Stelle, die im direkten Zusammenhang mit Glaubensinhalten steht.

Mehr denn je hängt die Wirksamkeit einer Kündigung durch kirchliche Arbeitgeber daher vom Einzelfall ab. Sollten Sie betroffen sein, empfiehlt sich daher dringend die Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Erst vor kurzem schränkte das BAG aufgrund europäischer Vorgaben die Recht der Kirchen ein. Es entschied, dass die Zugehörigkeit zur jeweiligen Konfession von Bewerbern nur verlangt werden darf, wenn dies für die konkrete Tätigkeit erforderlich ist.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Februar 2019, Aktenzeichen: 2 AZR 746/14 

Bei Fragen rund um das Thema Kündigung wenden Sie sich an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche), der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.



Autor dieses Beitrags: Dr. Ahlborn

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ahlborn ist langjährig im Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht tätig.
Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.

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