Beitrag veröffentlicht am 20.02.2019 | Dr. Ahlborn

Arbeitgeber schafft Drucksituation: Aufhebungsvertrag kann aufgelöst werden

Der Arbeitgeber hat bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages das Gebot fairen Verhandelns zu beachten. Er verletzt dieses, wenn er den Arbeitnehmer unangemessen unter Druck setzt. Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer bei den Verhandlungen erkrankt ist.

Der Arbeitnehmer kann dann verlangen, dass der Aufhebungsvertrag aufgelöst und das Arbeitsverhältnis fortgeführt wird.

So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 07. Februar 2018.

Zum Hintergrund: Kann sich ein Arbeitnehmer von einem Aufhebungsvertrag lösen?

Arbeitgeber und Arbeitnehmer beenden Arbeitsverhältnisse häufig mittels eines Aufhebungsvertrags. Da dadurch das Arbeitsverhältnis grundsätzlich einvernehmlich beendet wird, ist die Lösung vom Vertrag nur ausnahmsweise möglich.

Beispielsweise kann in manchen Fällen ein Anfechtungsrecht des Arbeitnehmers bestehen. Ein solches entsteht, wenn der Arbeitnehmer widerrechtlich bedroht (z.B. mit einer offensichtlich unberechtigten Kündigung vom Arbeitgeber) oder arglistig getäuscht (z.B. über eine baldige Betriebsschließung) wird. Außerdem kann ein Arbeitnehmer anfechten, wenn er sich über wichtige Tatsachen geirrt hat.

Daneben gäbe es grundsätzlich noch die Möglichkeit des Widerrufs des Aufhebungsvertrags. Es ist allerdings umstritten, ob sich auch ein Arbeitnehmer auf seine Verbraucherrechte und somit auf sein Widerrufsrecht berufen kann. Das BAG argumentiert in dieser Entscheidung allerdings, dass ein Verbraucherwiderrufsrecht des Arbeitnehmers nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche.

Mit dieser Entscheidung widmet sich das BAG einem weiteren Auflösungsgrund.

Zum Sachverhalt: Vertragsschluss in Wohnung einer kranken Arbeitnehmerin

Im konkreten Fall arbeitete die Arbeitnehmerin als Reinigungskraft im Unternehmen der Arbeitgeberin. Als Letztere das Arbeitsverhältnis beenden wollte, suchte sie die Arbeitnehmerin in ihrer Wohnung auf. Dort wurde ein Aufhebungsvertrag geschlossen. Im Nachhinein war umstritten, unter welchen Umständen der Vertrag zustande kam. Die Arbeitnehmerin behauptete vor Gericht jedoch, an diesem Tag krank gewesen zu sein.

Weil die Arbeitnehmerin sich später von dem Aufhebungsvertrag lösen wollte, erklärte sie die Anfechtung sowie den Widerruf des Vertrags. Die Arbeitgeberin dagegen bestand auf die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags. Deswegen klagte die Arbeitnehmerin schließlich vor dem Arbeitsgericht.

Zur Entscheidung: Gebot des fairen Verhandelns verletzt

Die Richter des BAGs urteilten in weiten Teilen zugunsten der Arbeitnehmerin.

Zwar könne der Aufhebungsvertrag weder durch Anfechtung, noch durch einen Widerruf aufgehoben werden, weil die Arbeitnehmerin nicht ausreichend Beweise dafür vorbringen könne und ein Widerrufsrecht für Arbeitnehmer hier nicht bestehe (s.o.).

Das Gericht entschied jedoch, dass die Arbeitgeberin eine wesentliche Nebenpflicht des Arbeitsvertrages verletzt habe: Das Gebot des fairen Verhandelns. Demnach dürfe in Vertragsverhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine psychische Drucksituation geschaffen werden, die die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers erheblich beeinträchtige. Andernfalls könne sich der Arbeitnehmer von dem Vertrag lösen und die Weiterbeschäftigung verlangen.

Vorliegend könne möglicherweise aufgrund der Krankheit der Arbeitnehmerin von einer Einschränkung der Willensfreiheit ausgegangen werden.

Das BAG verwies die Sache daher zurück an das Landesarbeitsgericht. Dieses wird feststellen müssen, ob für die Arbeitnehmerin tatsächlich eine hinreichende Drucksituation bestanden hat.

Fazit

Mit dieser Entscheidung erweitert das Bundesarbeitsgericht die Möglichkeiten des Arbeitnehmers, sich vom Aufhebungsvertrag zu lösen.

Will der Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag schließen, so muss das Gebot des fairen Verhandelns beachtet werden. Demnach darf während der Vertragsverhandlungen keine psychische Drucksituation geschaffen werden. Eine solche kann insbesondere die Krankheit eines Arbeitnehmers darstellen.

Ein Aufhebungsvertrag hat weitreichende rechtliche Folgen. Er sollte daher nicht ohne Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht abgeschlossen oder aufgelöst werden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18

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Aufhebungsvertrag ©Stockfotos-MG (Adobe Stock)


Autor dieses Beitrags: Dr. Ahlborn

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ahlborn ist langjährig im Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht tätig.
Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.

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