Beitrag veröffentlicht am 23.09.2019 | Dr. Ahlborn

Arbeitnehmer will den Betrieb verlassen – Arbeitgeber kommt ihm mittels Kündigung zuvor

Möchte ein Arbeitnehmer seinen Betrieb verlassen und kündigt mit langem Vorlauf, so darf der Arbeitgeber dem nicht zuvor kommen, indem er dem Arbeitnehmer zu einem noch früheren Zeitpunkt kündigt, weil er das Arbeitsverhältnis so früh wie möglich beenden möchte.

Dies entschied am 17. Juli 2019 das Arbeitsgericht Siegburg.

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Arbeitnehmer will Betrieb verlassen, daraufhin kündigt die Arbeitgeberin

Im entschiedenen Fall gab der Arbeitnehmer Anfang 2019 bekannt, dass er seinen Arbeitsplatz nach einer Kur im April 2019 verlassen möchte. Dementsprechend reichte er kurz darauf seine Kündigung mit Wirkung zum 15.04.2019 ein.

Der Arbeitgeberin ging dies nicht schnell genug: Sie kündigte selbst und zwar bereits mit Wirkung zum 28.02.2019. Ihrer Meinung nach habe der Arbeitnehmer mit seiner Eigenkündigung einen Abkehrwillen zum Ausdruck gebracht. Dies rechtfertige eine Kündigung ihrerseits.

Der Arbeitnehmer widersprach und erhob Kündigungsschutzklage.

Kündigung der Arbeitgeberin unwirksam

Das Arbeitsgericht Siegburg entschied, die Kündigung wirke erst zum 15.04.2019. Sie gab also der Kündigung durch den Arbeitnehmer den Vorzug. Die Kündigung durch die Arbeitgeberin sei demgegenüber ungerechtfertigt; sie könne nämlich nicht alleine mit dem Abkehrwillen eines Arbeitnehmers begründet werden.

Der Abkehrwille eines Arbeitnehmers könne nur dann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn die Stelle nur schwer neu zu besetzen sei und dem Arbeitgeber ausgerechnet im Zeitpunkt der Kündigung eine Ersatzkraft zur Verfügung stehe, die „gesichert“ werden müsse.

Vorliegend sei dies nicht der Fall gewesen, sondern die Arbeitgeberin habe ausreichend Angestellte zur Verfügung gehabt, die den Platz des Arbeitnehmers hätten füllen können. Dafür spreche auch, dass der Arbeitnehmer schon weit im Vorfeld Bescheid gesagt und die Arbeitgeberin daher Planungssicherheit gehabt habe.

Die Berufung zum Landesarbeitsgericht steht der Arbeitgeberin nach wie vor offen.

Fazit

Einem Arbeitnehmer kann nicht allein deshalb gekündigt werden, weil er den Betrieb verlassen möchte.  Der Arbeitnehmer kann also grundsätzlich mit langem Vorlauf kündigen, ohne fürchten zu müssen, dass die Arbeitgeberin ihn noch früher entlässt.

Soweit das Arbeitsgericht argumentiert, dass die Arbeitgeberin ausnahmsweise betriebsbedingt kündigen könne, wenn sie eine schwer zu findende Ersatzkraft zur Hand habe, beruft sie sich auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus 1964. Dieses ist viel kritisiert worden. Womöglich würde es heute anders entscheiden.

Eine Kündigung kommt allerdings in Betracht, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kündigt, sondern auch Pflichten verletzt, z.B. indem er Kunden oder Teile der Belegschaft abwirbt. In diesem Fall kann es zu einer verhaltensbedingten Kündigung durch die Arbeitgeberin kommen.

Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 17.07.2019, Az.: 3 Ca 500/19

Sie möchten Ihren Arbeitsplatz verlassen? Das müssen Sie wissen!

Ihr Wille, den Arbeitsplatz zu wechseln, ist grundgesetzlich in Art. 12 Abs. 1 GG geschützt. Demnach kann Ihnen nicht einfach gekündigt werden, weil Sie Ihrem Chef mitteilen, dass Sie den Arbeitsplatz verlassen möchten oder weil Sie den Wechsel Ihrer Stelle vorbereiten.

Eine Grenze ist aber dann erreicht, wenn Sie Vertragspflichten gegenüber ihrem bisherigen Arbeitgeber verletzen, z.B. indem Sie Mitarbeiter/Kunden abwerben oder Ihren Arbeitgeber vor diesen schlecht machen. Außerdem dürfen Sie Ihrem Arbeitgeber gegenüber nicht verschweigen, dass sie den Arbeitsplatz wechseln wollen oder vielleicht sogar schon einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben haben. Gleichermaßen ist es nicht erlaubt, Dokumente/Akten/etc. des Arbeitgebers ohne Absprache mitzunehmen oder zu vernichten.

Bei Fragen rund um das Thema Kündigung und Aufhebungsvertrag können Sie sich außerdem jederzeit an Rechtsanwalt Dr. Ahlborn in Bielefeld (Schildesche) wenden, der Sie als erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent berät.


Autor dieses Beitrags: Dr. Ahlborn

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ahlborn ist langjährig im Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht tätig.
Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.

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