Beitrag veröffentlicht am 24.04.2019 | Dr. Ahlborn

Verhaltensbedingte Kündigung: Auch viele kleine Verstöße müssen abgemahnt werden

Beabsichtigt der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen, so muss er den Arbeitnehmer in der Regel zuvor abmahnen. Dies gebietet der arbeitsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Wenn der Arbeitnehmer mehrmals Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, ist jeder einzelne dieser Verstöße konkret abzumahnen! Mehrere Pflichtverletzungen machen auch in Summe die Abmahnungen nicht entbehrlich.

So hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln am 6. September 2018 entschieden.

Generell zum Zweck der Abmahnung

Die Abmahnung bezweckt zunächst die Dokumentation eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers. Außerdem soll sie den Arbeitnehmer dazu anhalten, zukünftig seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Als Vorstufe zur Kündigung hat die Abmahnung eine Warnfunktion für den Arbeitnehmer: sie verdeutlicht ihm mögliche Konsequenzen vertragswidrigen Verhaltens.

Mehrere Pflichtverletzungen, jedoch nur zwei Abmahnungen

Im vorliegenden Fall hatte ein Mitarbeiter eines Dienstleistungsunternehmens mehrfach auf unterschiedliche Weise seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Im Einzelnen ist er unerlaubt einer Nebentätigkeit nachgegangen, hat sich im Fall einer Erkrankung oftmals nicht rechtzeitig arbeitsunfähig gemeldet, hat Verschwiegenheitspflichten verletzt und hat die Aufnahme einer ihm neu zugeordneten Tätigkeit verweigert.

Daraufhin mahnte ihn die Arbeitgeberin aufgrund der unerlaubt ausgeübten Nebentätigkeit sowie der nicht rechtzeitigen Krankmeldung ab. Davon abgesehen wurden keine weiteren Abmahnungen ausgesprochen. Letztlich kündigte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer fristlos, wogegen der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erhob.

Landesarbeitsgericht: Jeder Verstoß hätte abgemahnt werden müssen

Die Arbeitgeberin war der Meinung, dass die einzelnen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers in einer Gesamtwürdigung als beharrliche Arbeitsverweigerung zu betrachten seien. Deshalb sei die Kündigung gerechtfertigt, auch wenn nicht jede einzelne Pflichtverletzung abgemahnt worden sei.

Das LAG Köln entschied allerdings anders. Die Kündigung sei unwirksam. Jede Pflichtverletzung sei nämlich isoliert zu betrachten und hätte jeweils abgemahnt werden müssen. Das LAG erinnert an die Warnfunktion der Abmahnung. Diese solle dem Arbeitnehmer bewusst machen, dass er sein Verhalten ändern müsse. Diese Funktion werde nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nicht für jede Pflichtverletzung abgemahnt wird.

Fazit

Im Sinne der Warnfunktion der Abmahnung soll der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, sein vertragswidriges Verhalten zu ändern. Daher muss jede einzelne Pflichtverletzung abgemahnt werden. Hinsichtlich nicht abgemahnter Verstöße kann dem Arbeitnehmer grundsätzlich nicht wirksam gekündigt werden. Dies ist nur ausnahmsweise bei besonders schweren Pflichtverletzungen zulässig. Nach der vorliegenden Entscheidung des LAG Köln werden mehrere Verstöße aber nicht zu einem solchen schweren Verstoß summiert.

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 6. September 2018, 6 Sa 64/18

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Brief einer Abmahnung ©Gina Sanders (Adobe Stock)


Autor dieses Beitrags: Dr. Ahlborn

Rechtsanwalt und Notar Dr. Ahlborn ist langjährig im Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht tätig.
Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht.

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